Social Listening für die Pharmaforschung:

Was Pharmaunternehmen aus Online-Diskussionen lernen können

In den sozialen Medien tauschen sich Ärzte und Patienten über Krankheiten aus. Lassen sich daraus Informationen für die Pharmaforschung gewinnen? Wir haben es analysiert. Photo by National Cancer Institute on Unsplash

In den sozialen Medien tauschen sich sowohl Ärzte, medizinische Berater als auch betroffene Patienten rege über Krankheiten aus. Doch können solche Diskussionen womöglich wichtig für die medizinische Forschung sein? Wir wollten es wissen und haben anhand eines umfangreichen Social Media Monitoring analysiert, was über die „Volkskrankheit“ Fettlebererkrankung im Internet gesprochen wird, wer sich zu Wort meldet und wo diskutiert wird.

Unter den Fettleberdiagnosen liegt die „nicht-alkoholische Fettleber“ (NAFL) laut der deutschen Leberstiftung auf Platz 1. Ein Viertel aller Deutschen über 40 Jahre sowie jedes dritte übergewichtige Kind sind von der erhöhten Fettinfiltration in der Leber betroffen. Die Tendenz ist weltweit steigend, und auch immer mehr jüngere Menschen leiden zunehmend unter den Symptomen der Fettleber . Im Rahmen der Analyse haben wir mit unserem Social Listening Tool betrachtet, wie Patienten und Mediziner im Internet über die Krankheit berichten und wollten erfahren, welche Rückschlüsse sich daraus ziehen lassen.

Hintergrund der Analyse
Betrachtet wurden knapp 15.000 Beiträge aus dem allgemeinen Web sowie von Twitter, Instagram, diversen öffentlichen Facebook Accounts, YouTube und Foren. Zur Datenerhebung wurde für einen gesamten Monat nach Keywords rund um die nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD, NASH, Fatty Liver etc.) in der deutschen und englischen Sprache gesucht. Die erhobenen Daten wurden anschließend nach verschiedenen Bereichen (z. B. Risiko, Medienquelle) kategorisiert und einzeln untersucht.

Ergebnisse der Analyse
Die Themen „Fatty liver“ (Fettleber), NAFLD (non-alhocolic fatty liver disease = nicht-alkoholische Fettlebererkrankung) und NASH (non-alcoholic steatohepatitis = nicht-alkoholische Steatohepatitis) werden grundsätzlich sehr häufig im Internet besprochen. Durchschnittlich konnten im Untersuchungszeitraum mehr als 550 neue Beiträge täglich gezählt werden, und dies nur auf Deutsch und Englisch. Das hohe Gesprächsvolumen zeigt, dass auch private Themen wie Krankheiten und Symptome zunehmend öffentlich diskutiert werden. Betroffene suchen Gleichgesinnte sowie Tipps und Ratschläge, Experten stehen mit erklärenden Aussagen zur Verfügung, die Medien berichten über die zunehmende Relevanz des Themas sowie über neue Durchbrüche in der Wissenschaft. Über Social Media-Kanäle bilden sich Communities zu diversen Krankheiten, in denen sich Betroffene gegenseitig helfen und austauschen.

Welche Kanäle sind besonders gefragt für die Diskussion rund um die Fettlebererkrankung?
Unsere Analyse zeigt deutlich, dass Twitter, Foren und Instagram die Hauptquellen für die Gespräche sind. Während bei Twitter aufgrund der begrenzten Zeichenzahl die Krankheit eher oberflächig diskutiert wird, gehen Betroffene und Mediziner in Foren und auf Instagram stärker auf die Details ein.

Verteilung der Nennungen auf die unterschiedlichen Social Media Quellen

 

Die Studie bestätigt die Annahme, dass die Betroffenen in Diskussionsforen am ehesten Rat suchen, Symptome besprechen und sich über Therapien und Fortschritte austauschen. Viele Beiträge beginnen mit einem Thread, in dem ein frisch diagnostizierter Patient über seine Diagnose spricht und sich dazu Rat von anderen Personen einholt. Die meistgenutzten Foren kommen aus dem englischsprachigen Raum: MDJunction, Patient, Diabetes.co.uk, Reddit oder DailyStrength sind einige Beispiele dafür.

Instagram wird aufgrund des bildlichen Charakters des sozialen Netzwerks vorrangig dafür verwendet, den eigenen Ernährungsverlauf zu dokumentieren sowie Fortschritte und persönliche Tagebücher von Diäten zu posten. Oftmals finden sich hier Fotos von Personen vor dem eigenen Spiegel sowie die Dokumentation von Erfolgserlebnissen auf der Waage. Die Nutzer/innen erfahren über die Posts jede Menge Bestätigung von der Community in Form von Likes und Kommentaren, wie dieses Beispiel zeigt:

Instagram-Posts mit hohem Engagement (Quelle: Instagram)

Darüber hinaus wird Instagram aktiv von medizinischen Beratern, z. B. Ernährungsexperten und Lifestyle-Coaches, genutzt. Das vorrangige Ziel ihres starken Engagements auf diesem Kanal ist wahrscheinlich die Akquise von anderen Instagram-Usern, die an Übergewicht und/oder der Fettleberkrankheit leiden, und Interesse an den Beratungsdienstleistungen haben.

Auf Twitter hingegen finden sich fast keine Gespräche von Betroffenen oder Patienten. Hier kommen vor allem medizinische Berater zu Wort. Sie teilen ihr Expertenwissen rund um die Fettlebererkrankung. Besonders aktive Twitter-Accounts stammen von Organisationen (z. B. @TreatFattyLiver, @LifeExtension), Magazinen (z. B. @physorg_com, NatureMedicine) oder Influencern und Experten aus dem Bereich Ernährungsberatung (z. B. @NeilFlochMD).

Welche Themen werden vorrangig besprochen?
Über alle Kanäle hinweg stehen allgemeine Themen rund um die Fettlebererkrankung an erster Stelle (z. B. treatment = Behandlung, diseases = Erkrankung oder obesity = Fettleibigkeit). Die hier dargestellte Topic Cloud zeigt vorrangig englischsprachige Begriffe, da der Großteil der untersuchten Gespräche auf Englisch stattgefunden hat.

Besprochene Themen rund um die Erkrankung

Interessant ist, dass Medikamente oder Namen von Pharmafirmen in diesem Zusammenhang nicht besprochen wurden. Hier zeigt sich ein enormes Potenzial für die Medizinbranche, um mit gezieltem Expertenwissen und Mehrwert der Community zu helfen und gleichzeitig die eigenen Produkte ins Gespräch zu bringen.

Wie eingangs erwähnt, nimmt die Fettlebererkrankung international immer mehr zu und kann daher als Volkskrankheit definiert werden. Deshalb war es bei der Analyse auch wichtig zu erfahren, ob die Krankheit von den Betroffenen als Risiko wahrgenommen wird. Ergebnis: nur 10 % aller relevanten Inhalte zu dem Thema wurden mit „Risiko“ kategorisiert.

Gesprächskategorien über alle Kanäle hinweg

Dies kann zum einen daran liegen, dass oftmals neutral und sachbezogen über die Krankheit gesprochen wird. Zum anderen wissen viele Betroffene bereits von ihrer Erkrankung und tauschen sich eher zu Behandlungsmöglichkeiten und den Fortschritten ihrer Therapien aus.

Fazit und Ausblick
Die Studie zeigt, dass Patienten ihre Krankheiten und ihre Fragen immer häufiger online teilen. Sie sprechen über Behandlungserfolge, holen sich Tipps und Rat ein. Hier liegen viele Möglichkeiten für die Pharmaindustrie: Zum einen können Pharmaunternehmen relevanten Content zur Verfügung stellen, der den Patienten für verschiedenste Fragestellungen rund um die Fettlebererkrankung hilft. Zum anderen können sich Experten der Pharmaunternehmen, aber auch Ärzte und Institutionen im Gesundheitswesen stärker unter die Communities mischen, um Patienten dort zu beraten, wo Fragen entstehen. Außerdem macht die Studie deutlich, dass Twitter, Instagram und Foren durchaus relevante Kanäle sind, um besser über die Bedürfnisse der Community zu lernen und gleichzeitig das eigene Unternehmen mit Mehrwert ins Gespräch zu bringen.

 

Mehr Details zu Social Media für die Pharmaindustrie

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Verbraucherzentrale NRW